Fil d'Ariane

Synthese zum Forschungsbericht "Die Diaspora rumantscha in der Deutschschweiz – Eine Situations- und Bedarfsanalyse – Fokus Familien"

Wie lebt und überlebt Rätoromanisch ausserhalb Graubündens? Dieser Frage geht der Forschungsbericht „Die Diaspora rumantscha in der Deutschschweiz: Eine Situations- und Bedarfsanalyse – Fokus Familien“ nach. Jetzt ist auch eine Zusammenfassung des Berichts in fünf verschieden Sprachen, inklusive Rätoromanisch verfügbar. Die Studie von Claudia Cathomas, Flurina Graf und Cordula Seger untersucht die Situation rätoromanischer Familien in drei Deutschschweizer Städten. Ziel war es, herauszufinden, wie es um Bildungs-, Betreuungs- und Freizeitangebote in Rätoromanisch bestellt ist, welche Bedürfnisse Familien haben, um die Sprache weiterzugeben, und welche konkreten Massnahmen die Sprachförderung in der Diaspora unterstützen können.

Hohes Engagement – wenig Struktur

Die Studienautorinnen zeichnen ein ambivalentes Bild: Zwar ist die Motivation vieler Eltern, Rätoromanisch weiterzugeben, gross – die sprachliche Realität im Alltag aber oft herausfordernd. In der ausserkantonalen Diaspora ist Rätoromanisch ausserhalb der Familie kaum präsent. Eltern fehlt die sprachliche Praxis, was mit der Zeit zu Unsicherheit oder einem schleichenden Verlust des Wortschatzes führen kann.

Den Kindern wiederum fehlen der sprachliche Kontext sowie das Bewusstsein, dass Rätoromanisch nicht nur eine Familiensprache ist, sondern eine lebendige Sprache mit öffentlicher Relevanz, die auch in anderen Lebensbereichen verwendet wird.

Sprache braucht Raum – und Input

Ein zentrales Ergebnis der Studie: Je mehr rätoromanischer Input ein Kind erhält, desto grösser sind seine Sprachkompetenzen – unabhängig davon, ob beide Elternteile perfekt sprechen oder ob ein Elternteil Rätoromanisch erst später gelernt hat. Nicht Korrektheit steht im Vordergrund, sondern Quantität und Alltagstauglichkeit. Interessant ist auch die Rolle der Kinder selbst: Wie sie die Zweisprachigkeit erleben, kann entscheidend sein für die familiäre Sprachpraxis – ein Aspekt, der bisher wenig erforscht ist.

Sieben Handlungsfelder für eine lebendige Diaspora-Sprache

Basierend auf den Forschungsergebnissen formuliert die Studie sieben Handlungsfelder, um die Weitergabe des Rätoromanischen in der Deutschschweiz nachhaltig zu stärken:

  1. Vernetzung  mit anderen Rätoromanischsprachigen.
  2. Information und Sensibilisierung der Eltern in Bezug auf Themen der Mehrsprachigkeit kann Unsicherheiten entgegenwirken:
  3. Bedarf an rätoromanischen Medien ist bei Eltern mit jüngeren Kindern am grössten.
  4. Bildung: Rätoromanische Bildungsangebote brauchen ein klares Profil und neben der sprachlichen Ausrichtung weitere Angebote, die Mehrwert für Eltern und Kinder erzeugen.
  5. Nationale Koordination zur Definition von Zielen, Unterstützung von Anbietenden und Erreichung der Zielgruppe ist notwendig und sollte in partizipativem Prozess entwickelt werden, um Akzeptanz zu erhöhen.
  6. Soziale Integration von Zugezogenen im Sprachgebiet ist essentiel, um Motivation zur Sprachweitergabe an Kinder zu erhöhen.
  7. Zusätzliche Forschung zum Einfluss von Child Agency und New Speakern auf die Weitergabe des Rätoromanischen in der Diaspora ist wünschenswert.

Forschungsbericht: 

  • Die Synthese des Forschungsbericht auf Rätoromanisch, Deutsch, Französisch, Italienisch und Englisch ist hier abrufbar.
  • Der ausführliche Forschungsbericht auf Deutsch kann hier abgerufen werden.

Das Forschungsprojekt wurde im Rahmen des Forschungsprogramms 2021–2024 des Wissenschaftlichen Kompetenzzentrums für Mehrsprachigkeit mit der freundlichen Unterstützung durch das Bundesamt für Kultur durchgeführt.