In der Schweiz ist die Kommunikation mit der Bevölkerung in Krisenzeiten eine grosse Herausforderung. Wie kann sichergestellt werden, dass alle Einwohner_innen – unabhängig von ihrer Sprache oder ihren Sprachkenntnissen – die wichtigsten Informationen erhalten? Für die Behörden und die Zivilgesellschaft stellte die COVID-19-Pandemie einen echten Stresstest dar. Das Wissenschaftliche Kompetenzzentrum für Mehrsprachigkeit der Universität Freiburg hat dazu eine umfassende Studie durchgeführt und macht die wichtigsten Ergebnisse in Form eines interaktiven Posters öffentlich zugänglich.
Auch wenn die COVID-19-Krise inzwischen weit zurückzuliegen scheint, hat sie sich tief ins kollektive Gedächtnis eingeschrieben. In der Schweiz änderten sich die Regeln beinahe wöchentlich – oft auch von Kanton zu Kanton. Wie viele Personen durften sich treffen? Durfte man sich ohne Maske auf eine Restaurantterrasse setzen? Wer konnte ein COVID-Darlehen beantragen, und unter welchen Bedingungen?
Neben diesem anfänglichen Informationswirrwarr mussten die Behörden sicherstellen, dass ihre Botschaften nicht nur alle Bewohner_innen erreichten, sondern auch so verständlich wie möglich waren. Das Forschungsprojekt «Mehrsprachigkeit in einer Gesundheitskrisensituation» zieht Bilanz über die beispiellosen Kommunikationsbemühungen von Behörden und zivilgesellschaftlichen Akteur_innen.
Auf den Spuren von Information und Übersetzung
Auf Basis einer Erhebung der während des ersten Pandemiejahres (2020/2021) publizierten Informationen sowie von Interviews mit insgesamt 90 Personen, die Übersetzungsleistungen erbracht haben, stellten die Autor_innen fest:
- Informationsflut: Bundes-, Kantons- und Gemeindebehörden sowie Organisationen der Zivilgesellschaft verbreiteten eine enorme Menge an Informationen – über analoge und digitale Kanäle, in schriftlicher und audiovisueller Form. Angesichts dieser Fülle hatten die Empfänger_innen teilweise Mühe, den Überblick zu behalten.
- Ein beachtlicher Übersetzungsaufwand, der dennoch viele nicht erreichte: Die Bundesbehörden, insbesondere das Bundesamt für Gesundheit, übersetzten Texte in nicht weniger als 26 Sprachen, darunter auch in Leichte Sprache und Gebärdensprache. Trotz dieses Engagements konnten gewisse soziale Gruppen aufgrund der Verbreitungswege nicht erreicht werden.
- Ungleichgewicht bei den übersetzten Inhalten: Informationen zu Präventions- und Hygieneregeln wurden deutlich häufiger übersetzt als Inhalte und Formulare zu finanziellen Unterstützungsleistungen.
- Einsatz von Freiwilligen: Des Weiteren kamen freiwillige, nicht-professionelle Übersetzer_innen zum Einsatz. Meist handelte es sich um Personen mit Migrationshintergrund sowie um zivilgesellschaftliche Organisationen, die im Hintergrund dafür sorgten, dass Informationen zugänglich wurden.
Gerüstet für die nächste Krise?
Um diese Erkenntnisse zu dokumentieren, hat das Wissenschaftliche Kompetenzzentrum für Mehrsprachigkeit der Universität Freiburg ein interaktives Poster entwickelt, das die Mechanismen und Herausforderungen einer mehrsprachigen Krisenkommunikation sichtbar macht. Unter dem Titel «Tracing Translation» lädt dieses neue Instrument alle Interessierten, Forschende, Fachpersonen aus den Bereichen Gesundheit, Soziales und Bildung sowie Studierende dazu ein, die wichtigsten Ergebnisse der Studie visuell und dynamisch zu erkunden.
Das Poster ist online auf Deutsch, Französisch, Italienisch und Englisch zugänglich und wird im Rahmen von Explora – dem «Festival für Kultur, Wissenschaft & Gesellschaft» bzw. Tag der offenen Tür der Universität Freiburg – am 20. September 2025 vorgestellt.