Eine angemessene Vertretung der Sprachgemeinschaften in der eidgenössischen Verwaltung gilt im politischen Diskurs als wichtiger Ausdruck der schweizerischen Mehrsprachigkeit. Verschiedene Gesetzesgrundlagen und Weisungen sind erlassen worden, um dieses Ziel zu erreichen. Es stellen sich jedoch Fragen bezüglich der Umsetzung und Wirkung dieser Massnahmen im Spannungsfeld zwischen beruflichen Qualifikationen und Sprachkenntnissen von StellenbewerberInnen sowie hinsichtlich der sprachregionalen Dynamiken des Arbeitsmarktes für Verwaltungsmitarbeitende. Statistiken zum Anteil der Bundesangestellten nach Erstsprachen verweisen auf ein Ungleichgewicht der Vertretung von Sprachminderheiten in gewissen Positionen und Ämtern.
Ziel dieses Projektes war es, sich eingehend mit diesem Phänomen auseinanderzusetzen und die Komplexität der Mechanismen und Prozesse zu verstehen, die den Zugang der sprachlichen Minderheiten zu gewissen Positionen in der Bundesverwaltung erleichtern oder erschweren. Der Schwerpunkt lag auf dem Personalrekrutierungsprozess, der als Schlüsselinstrument der Selektion und des Zugangs zur Anstellung zu verstehen ist.
Statistikanalysen zur sprachlichen Zusammensetzung der Bundesverwaltung bzw. der untergeordneten Verwaltungseinheiten belegen eine Übervertretung von Deutschsprachigen in der Mehrheit der Ämter. Analysen der sprachgesetzlichen Vorgaben und Diskurse sowie eine ethnografische Forschung anlässlich von zehn Rekrutierungsprozessen verweisen auf ein Spannungsverhältnis zwischen einem Bekenntnis zu den sprachpolitischen Zielen des Bundes und einer stärkeren Gewichtung von operationalen Zielen im konkreten Selektionsverfahren. In einer Online-Umfrage bei Rekrutierungsverantwortlichen konnte diese Beobachtung erhärtet und ein Sensibilisierungsbedarf insbesondere bei den Vorgesetzten aus der sprachlichen Mehrheit ausgemacht werden.